Auf der Suche nach dem verschwundenen Blau

René von Tiger – Consulting Detective

Kapitel 1 – Das Eier-Experiment

Ich saß gerade beim Frühstück und meine Gedanken kreisten um etwas, worüber sich mein geschätzter Kollege Hercule Poirot immer wieder herrlich aufregen konnte: „Ich möchte doch nur ein Drei-Minuten-Ei und ein Vier-Minuten-Ei zum Frühstück. Das kann doch nicht so schwer sein!“

„Kann es wirklich nicht“, dachte ich und machte mich daran, mir zwei Eier zu kochen. Eins drei Minuten und eins vier Minuten, als plötzlich das Telefon klingelte. Meine kochenden Eier weiter in einem Tigerauge behaltend, griff ich zum Hörer und ich traute meinen flauschigen Ohren nicht, als ich mit unverkennbar französischem – äh, Verzeihung – belgischem Akzent begrüßt wurde: „Bonjour, mon ami! Isch ´offe, isch schtöre disch nischt bei deine Frühstückseier.“

„Woher wusste er…?“, schoss es mir durch den Kopf, aber sofort kam ich zu der Erkenntnis: „Humbug!“ Das konnte er nicht wissen, das musste ein Zufall sein. Also lenkte ich unauffällig von dem Eierthema ab. Er wäre sonst wieder unausstehlich überheblich geworden, und hätte diesen Zufallstreffer als die geniale Frucht seiner kleinen Grauen Zellen dargestellt. Belgischer Angeber! Pah!

Wie das unter brillanten Detektiv-Kollegen aber so ist, kam er dann doch zügig zum eigentlichen Grund seines Anrufes: „Es ist ein Katastroph! Mon Dieu! Ein diplomatisch Katastroph!“, verzweifelte er, während er mir schilderte, was passiert war. Offenbar waren gleich sieben Länder darüber in Clinch geraten, dass etwas Wichtiges abhandengekommen war, und gaben sich gegenseitig die Schuld daran. Weil er zwischendurch immer wieder vor lauter Rage ins Französische verfiel, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, ihm folgen zu können.

„Bitte was genau ist denn nun verlorengegangen?“, hakte ich nach, um endlich auf den springenden Punkt zu kommen. „Sacré bleu, le bleu!“, fluchte er. Das war nun wirklich keine Hilfe, auch wenn das heilige Blau heute gleich doppelt blau war. „Nun beruhig dich doch mal und sprich langsam!“, versuchte ich ihn auszubremsen. „Sacre bleu oder Harricots verts, das ist mir viel zu bunt.“

„Eben nischt bunt! Le bleu est parti. Das Blau ist weg. Das ist ja das Problem“, konstatierte er.

„Was bitte für ein Blau?“, wunderte ich mich. „Wie kann denn bitte eine Farbe verschwinden?“

„Le bleu von die Fluss ist nischt da, wo sie sein soll. ´Ast du nie ge’ört von die schön blau Donau? Da ´at diese Walzer-Mann aus Wien darüber eine Lied geschrieben, eine Monsieur le Bouquet, oder so ä’nlisch. Und nün ´at jemand gemerkt, dass die bleu von die Donau fort ist und les Diplomats von siebe Länder ´aben sisch in die ´aare!“

Mannohmann! Vielleicht sollte er seine kleinen grauen Zellen mal dazu bringen, seine Sätze verständlicher zu formulieren. Aber so wie ich das interpretiere, meint er mit Messieur Bouquet wohl Johann Strauß, der den berühmten Walzer „An der schönen blauen Donau“ geschrieben hat. Und die Donau soll auf einmal nicht mehr blau sein. Sehr mysteriös. „Und warum hast du nicht längst die Erittlungen aufgenommen?“, frage ich ihn, als er mich vor lauter Aufregung endlich wieder zu Wort kommen lässt.

„Pas encore! Nischt schon wieder! Isch ´habe görade erst eine schwierige Fall ínter mir wo isch auf die Nil unterwegs war. Isch ´abe erst einmal die Nase voll von die Flüsse. Wenn isch am Ende von die Welt wieder so viel Wasser sehe, ist das noch zu früh. Comprenez-vous mon ami?“

So, so. Er hatte also keine Lust mehr auf Wasser und da haben ihm seine kleinen grauen Zellen gesagt: „Frag doch mal den Tiger! Der mag doch Wasser so sehr. Der wird sich bestimmt freuen.“ Mannohmann! Ich glaube, seine kleinen grauen Zellen verrosteten so langsam zu kleinen rostroten Zellen. Wasser war ja wohl das allerletzte! Bäh! Aber gut, wenn nun einmal der diplomatische Frieden von halb Europa davon abhing, wollte ich mich des dringenden Falles annehmen. Wasser hin oder her. Ich sicherte ihm also meine volle Unterstützung zu und wollte mich gleich nach dem Frühstück auf den Weg machen, um den Tatort, also die Donau, in Augenschein zu nehmen. Apropos Frühstück: Was machen eigentlich mein Drei-Minuten-Ei und mein Vier-Minuten-Ei?

Potzblitz! Das war ja mal nix. Es scheint, als wäre es doch nicht ganz so einfach, zwei simple Frühstückseier auf den Punkt zu kochen – zumindest nicht, wenn ein aufgedrehter Franzose – äh, Verzeihung – Belgier anruft und einen ablenkt. Die sind dann wohl nur noch als Tee-Ei zu gebrauchen.

Wie ich mit meinen Ermittlungen begann, davon berichte ich euch in Kürze im zweiten Kapitel über meine Suche nach dem verschwundenen Blau…


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